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Inspiration für eine neue Generation

MOREFAMILY / Thema

Ali Mahlodji ist Wegweiser und Mutmacher für Jugendliche. Aber auch für Eltern, Unternehmer:innen und alle Menschen, die für die Zukunft brennen.

18.10.2023

 

Denn wie es die Financial Times schon auf den Punkt gebracht hat: „Ali Mahlodji bereitet die nächsten Generationen auf Jobs vor, die es noch gar nicht gibt.“ Der Business Mentor, Keynote Speaker, EU Jugendbotschafter, UNICEF Ehrenbeauftragte, Bestseller Autor, Unternehmer, Zukunftsforscher, Vater, Ehemann und Feminist hat uns Fragen zum Thema Berufsorientierung, Talentförderung und Digitalisierung beantwortet – ein Mentoring für Jugendliche und Eltern.

moreFAMILY: Unter welchen Voraussetzungen – jedes Kind steht im Leben woanders – und ab welchem Alter ist es sinnvoll, die Weichen für den beruflichen Weg zu stellen?

Ali Mahlodji: Es beginnt bei der Geburt, dem Kind dabei zu helfen, die Weichen für das Leben zu stellen. Der Beruf macht den größten Teil unseres Lebens aus. Es ist eigentlich die Frage, ab wann wollen wir dem Kind vermitteln, wie wichtig der Beruf für das eigene Leben ist. Als Eltern sollte man vorleben, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, auf Augenhöhe zu sein, Dialogkultur pflegen, richtig streiten zu lernen, nicht am Montag in die Arbeit zu gehen und zu sagen „Ich hasse die Arbeit und freue mich schon so aufs Wochenende ...“ Das Ziel ist es, das Leben zu leben, das man mit niemandem tauschen möchte.

So zeigen wir den Kindern schon früh, was Lebenskompetenz bedeutet. Dieses Vorleben ist entscheidend, wenn das Kind irgendwann später mal in der Schule die Frage bekommt, was es später beruflich machen möchte, und es sich für das eigene Leben und die eigene Freude entscheidet und demnach bei der Berufswahl sagt „Hey, das mach ich für mich!“ und eben nicht für die Eltern oder die Gesellschaft oder damit ich in zehn Jahren einen sicheren Job hab. Denn so etwas wie einen sicheren Job gibt es ja eigentlich gar nicht …

moreFAMILY: Jugendliche möchten nicht mehr in klassische Berufe einsteigen und bevorzugen die digitale Welt. Wie kann man als Elternteil beurteilen, ob es eine Gabe oder ein Hobby auf Zeit ist?

Ali Mahlodji: Ich glaube, dass Eltern das überhaupt nicht beurteilen müssen – das ist nicht ihre Aufgabe. Es ist ihre Aufgabe, dem Jugendlichen
die Möglichkeiten zu geben, sich in diesem Bereich auszutoben. Also wenn der Jugendliche sagt, er möchte YouTuber werden, dann sollte man alles tun und das Kind darin bestärken, das auch zu machen. Und wenn es dann aber für das Kind unfassbar anstrengend ist als YouTuber, wird das Kind relativ schnell merken, dass es das vielleicht gar nicht will.

Und die Jugendlichen, die es dann wirklich machen wollen, werden trotz Probleme, Hürden und Widerständen trotzdem weitermachen. Gerade die digitale Welt kann zu einem „klassischen“ Beruf werden. Eltern meinen mit klassischen Berufen oft nur die Berufe, die sie selber kennen, aber wir haben ja jetzt auf der Welt schon über 100.000 Berufstitel. So etwas wie klassische Berufe gibt es nicht, es gibt nur solche, wo wir glauben, dass das die klassischen

»Wenn ich es schaffe, auch nur einem Menschen eine Perspektive aufzuzeigen, habe ich das Weltbild dieses Menschen zum Positiven verändert und damit die Zukunft dieser Person gerettet.«

Berufe sind, wie zum Beispiel Anwalt oder Anwältin, Frisör:in. Diese Berufe wird es auch noch in 20 Jahren geben – in der digitalen Welt werden sie sich nur radikal verändern. Die einzige Beurteilung, die Eltern treffen sollten: Ist das, was mein Kind tut, der Freude geschuldet? Dann wissen wir, das sollten wir mehr zulassen, mehr fördern, da sollten wir Raum schaffen. Eine Gabe ist dann gegeben, wenn einem Kind etwas leichtfällt.

Das heißt, wir sollten dem Kind auch vorleben, wenn dir etwas leichtfällt, dann hast du da ein Talent, aber gleichzeitig müssen wir auch vermitteln, dass Talent alleine nicht reicht. Es geht darum, das Talent zu schärfen, es zu wiederholen und dran zu bleiben. Und ganz ehrlich, wenn ein Kind etwas nur als Hobby sieht und eine Woche später etwas anderes machen möchte, ist das toll. Denn dann hat das Kind gelernt, es kann viele Dinge probieren und es muss sich auf nichts festlegen. Und das ist die beste Art der Berufsorientierung.

moreFAMILY: Wenn der Jugendliche sehr introvertiert ist und der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verloren gegangen ist, zum Beispiel durch die Pandemie, er in weiterer Folge aber Bewerbungsgespräche führen soll. Was empfiehlst du dann den Eltern? Wo können sie ansetzen? Wie bereitet man sein Kind am besten auf die Arbeitswelt vor?

Ali Mahlodji: Das Wichtigste ist, dass man dem Jugendlichen das Gefühl gibt: So wie du bist, bist du gut genug. Wenn man dem Jugendlichen das Gefühl gibt, dass man sich Sorgen um ihn macht, dann lernt er daraus leider nur: Ich bin nicht gut genug, sonst würden sich meine Eltern ja keine Sorgen machen. Das heißt, die Eltern selbst benötigen ein Selbstbewusstsein und müssen verstehen, dass der Jugendliche das auch hinbekommt. Ein einfaches Beispiel, das ich den Eltern immer sage: Als Ihr Kind geboren wurde, wie gut konnte es die Muttersprache oder wie gut konnte es aufrecht gehen?

Da lachen die Eltern und sagen: Naja mein Kind konnte die Sprache nicht. Dann frage ich: Wie viel Förderunterricht hat es gebraucht, um die Sprache zu lernen? Wie sehr hat es ein Vokabelheft gebraucht?

Da lachen die Eltern auch wieder und sagen: Gar nicht, mein Kind hat das einfach so gelernt. Ich dann: Aha. Wie sehr hattet ihr Angst, dass euer Kind die Muttersprache oder den aufrechten Gang niemals lernt?

Dann sagen die Eltern: Angst hatten wir nie, wir wussten ja, das Kind wird das schon hinbekommen. Und dann sage ich: Genau das ist es!

Dieses Selbstvertrauen brauchst du als Elternteil für dich selbst und das Zutrauen ins Kind, damit es sich nicht um dich als Elternteil Gedanken machen muss, ob es eh gut genug ist, sondern das Kind kann sich dann beruhigt um die eigene Entwicklung kümmern. Und dann ist es wichtig, dem Jugendlichen klar zu machen, dass negative Dinge, die er zum Beispiel in der Pandemie erlebt hat, nicht seine Schuld sind. Sondern, dass das normal ist, dass es vielen Menschen so geht. Jugendliche müssen das Gefühl bekommen, es ist kein Fehler, es ist ganz normal, was gerade passiert ist.

Es ist nicht cool, aber man wird das schon hinbekommen. Und Jugendliche müssen verstehen: Ein Bewerbungsgespräch ist nicht das Ende der Welt, sondern es ist eines von ganz vielen Bewerbungsgesprächen da draußen. Es macht auch Sinn, wenn man als Elternteil erzählt, wie man sich als Jugendlicher vielleicht auch selber ab und zu Sorgen gemacht hat und jetzt weiß: Es geht im Leben immer weiter. Wie man sein Kind am besten auf die Arbeitswelt vorbereiten kann, ist relativ simpel: In allen Ferien ermutigen, dass es so viel wie möglich ausprobiert. Seien es Ferialpraktika, Mitarbeit bei NGOs und Freiwilligenvereinen. So sieht das Kind, was es selber kann und was es vielleicht machen will und was es nicht machen will.


moreFAMILY: Sollte man Social Media und alles, was dazu gehört, prinzipiell fördern oder zeitlich regeln?

Ali Mahlodji: Es ist immer gut, wenn man Social Media ins normale Leben integriert, damit es für die Kinder nicht etwas Geheimnisvolles wird. Die Eltern, die in der Kindheit immer Schokolade versteckt haben, die ernten meistens Kinder, die später jede Schokolade in sich reinstopfen. Es ist immer gut, Regeln aufzustellen, die man auch klar kommuniziert und an die man sich auch hält. Es ist allerdings auch wichtig, dass man verstehen muss, dass man den Kindern nicht unter dem 6. Lebensjahr ein eigenes Tablet geben sollte. Es ist wichtig, dass alles ins Leben zu integrieren, aber immer mit Beschränkungen und im besten Fall, wenn das Kind sich etwas auf Social Media anschaut, sitzt man daneben und sieht es sich mit an, um danach darüber zu diskutieren oder zu reden.

Was man nicht machen sollte: Die Kinder in jungen Jahren damit komplett alleine zu lassen. Und ob man es fördern soll? Kinder und Jugendliche schnappen sich sowieso digitale Tools. Diese sind oftmals so aufgebaut, dass Kinder sehr schnell damit arbeiten können. Was Kinder allerdings nicht können, ist richtig mit den Themen Privatsphäre und Datenschutz umzugehen und sie können es auch oft nicht einschätzen, wann es genug ist oder welchen Informationen sie vertrauen können und welchen nicht. Das erste eigene Gerät sollte man den Kindern sehr spät besorgen, weil die Hersteller von den Geräten und der Software die ganzen Tools natürlich so bauen, dass die Kinder – wenn die Eltern nicht in der Nähe sind – einfach endlos damit kommunizieren und damit arbeiten. Und das ist definitiv nicht gut.


moreFAMILY: Es wird ja künftig auch viele digitale Berufszweige geben. Wie wird sich das in deiner Sicht jetzt entwickeln?
 

Ali Mahlodji: Wir erleben heute schon, dass jemand, der in einem Hotel am Empfang arbeitet, jetzt schon digital fit sein muss. Weil heute geht es nicht mehr nur darum, im Hotelempfang E-Mails zu beantworten, sondern auch auf diversen Plattformen wie Google, TripAdvisor oder Booking die ganzen Social Media Profile zu managen oder auch auf die Kommentare und Bewertungen einzugehen. Auch wenn du als Arzt oder Ärztin, Frisör oder Frisörin arbeitest, macht es Sinn, auf Social Media vertreten zu sein. Wir merken auch jetzt schon, dass künstliche Intelligenz die Berufe von Anwält:innen, Steuerberater: innen oder Menschen die Musik machen radikal verändert. Das heißt, sich auf digitale Berufszweige zu fokussieren, wird die Zukunft sein, die brauchen wir in jedem Bereich. Lehrer:innen und Eltern wären zum Beispiel auch gut beraten gewesen, sich auch schon vor der Pandemie mit digitalen Tools auseinanderzusetzen.

Wir haben gemerkt, dass Jugendliche eigentlich viel mehr Affinität hatten als die Erwachsenen, die komplett lost waren und nicht mal einen Unterricht über Zoom oder Microsoft Teams machen konnten. Teilweise haben sich auch viele Erwachsene in der Arbeitswelt geweigert, Videokonferenzen eine Chance zu geben. Obwohl es zweitweise für viele Lockdowns die einzige Chance der Kommunikation war. Wie wird sich das entwickeln? Es gibt kein Zurück mehr. Wir müssen Jugendlichen beibringen, was es heißt, Medien- und Digitalkompetenz zu haben. Nur weil sie eine App bedienen können, sind Jugendliche nicht digital affin. Sie sind nur mit der Digitalisierung aufgewachsen, deshalb haben sie da weniger Berührungsängste. Viele Studien zeigen aber, dass Jugendliche absolut keine klassische Digitalkompetenz im Arbeitsbereich haben. Und da ist es natürlich sinnvoll, sie da hinzuführen, aber gleichzeitig – und das ist extrem wichtig – müssen Jugendliche, die Eltern und überhaupt Menschen in der Arbeitswelt mal wieder trainieren, was es heißt, sich auch von diesen digitalen Tools zu lösen. Ich zum Beispiel habe zwei Handys. Auf einem ist Social Media drauf, auf dem anderen nicht. Das heißt, auf meinem Haupttelefon ist null Social Media, weil ich weiß, dass ich mir erst beibringen muss, diesen Abstand zu Social Media Tools zu gewinnen. Bei digitalen Kompetenzen geht es darum, dass Jugendliche lernen, was es heißt, trotzdem empathisch zu bleiben, vernetzt zu arbeiten, miteinander in Teams lösungsfähig zu sein.

Warum ist das wichtig? Weil die Digitalisierung nach und nach die Arbeiten, die Aufgaben die schwierig sind, übernehmen wird, aber die Komplexität in Projekten, wenn es zum Beispiel darum geht, mit einem Kunden zu verhandeln, mit Zulieferern zu arbeiten, das eigene Team motiviert zu halten – das sind Dinge, die bekommt keine künstliche Intelligenz hin. Das sind Dinge, die uns Menschen bleiben. Thematiken, die wir lernen und kultivieren müssen sind Empathie, Zuhören, Reflexionsgabe, Teamarbeit, Kritik auszuhalten, in die Selbstreflexion zu gehen. Also all die Dinge, die uns zu Menschen machen, müssen wir am Leben erhalten. Auch die Lernlust der Kinder in der Schule dürfen wir nicht kaputt machen oder als Elternteil durch falschen Druck ruinieren. So lange wir uns darauf fokussieren, werden die Kinder und Jugendlichen in eine wunderbare (Arbeits)welt kommen.
Wenn wir Kindern aber Druck machen, ihnen unsere eigenen Ängste und Erwartungshaltungen überstülpen, werden wir eine Generation ha- ben, die ständig das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein. Und das in Kombination mit Digitalisierung führt natürlich zu einer zukünftigen Gesellschaft, vor der viele Menschen Angst haben. Aber Angst zu haben ist aus meiner Sicht absolut nicht notwendig.


Über Ali Mahlodji

Offiziell ist Ali Mahlodji „der Philosoph der Arbeitswelt“. Als Übersetzer zwischen den Welten vermittelt er Führungskräften Klarheit, gibt Jugendlichen Orientierung und hilft Menschen, ihrem inneren Ruf zu folgen. Ali Mahlodji wuchs in einem Flüchtlingsheim auf und startete seine Karriere als stotternder Schulabbrecher. Nach über 40 Jobs, einem Studium in Rekordzeit und Aufstieg zum Manager in einem US-Konzern, kündigte er nach einer Sinnkrise seinen gut dotierten Job, um seinem inneren Ruf zu folgen.

Er wurde Lehrer in einem Gymnasium und gründete aus einer Kindheitsidee heraus das digitale Handbuch der Lebensgeschichten, die Erfolgsstory whatchado.com, die
international erfolgreichste Video-Job-Orientierungsplattform Europas, die unter seiner Führung als CEO in nur drei Jahren deutschsprachiger Marktführer für Video- Employer-Branding wurde. Als internationaler Keynote Speaker ist er einer der einflussreichsten Impulsgeber Europas und bildet mittlerweile selbst eine neue Riege an Impact-Speakern aus.

Er ist CEO von futureOne, einem Tech-, Medien- und Persönlichkeitsentwicklungsunternehmen. Mit futureOne HEROES gründete er das erste holistische digitale Ausbildungsprogramm für gesamtheitliche Persönlichkeitsentwicklung für ChangeMaker der Generation Global. Dabei ist er seiner inneren Bestimmung, eine lebenswerte Welt für Kinder zu erschaffen, immer treu geblieben. 50 % seiner Arbeit macht er daher ProBono. Mit der Gründung von futureRocka hat er bereits über eine halbe Million Jugendlicher in deren Entwicklung inspiriert und ausgebildet. Er lebt in Wien, arbeitet international, ist mit seiner Traumfrau verheiratet und Vater einer sehr coolen Tochter.

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